Seit 3 Jahren ist Anastasiya nun unsere Product Ownerin bei imito. Im Interview erzählt sie, was sie dazu bewogen hat, auch noch Rettungssanitäterin zu werden, wie das Tanzen dazu führte, dass sie Deutsch lernte und wen sie bewundert.
Anastasiya, wie bist du im medizinischen Bereich gelandet?
Schon an der Uni während meines Masterstudiums hatte ich ein paar Kurse, in denen es um die Nutzertauglichkeit von Software im Krankenhaus ging. Dann habe ich einen Studi-Job bei der Charité gefunden und dort auch meine Masterarbeit über eine App für Teenager mit Sichelzellkrankheit geschrieben - das fand ich super interessant.
Nach dem Studium habe ich dann bei einem Hersteller einer Praxisverwaltungssoftware gearbeitet, aber auch für eine Firma, die Krankenversicherungen bei der Datenverarbeitung geholfen hat. Und nun liebe ich es, das imito-Entwicklerteam als Product Ownerin zusammenzuhalten, um nützliche medizinische Tools zu entwickeln. Für mich ist wichtig, dass meine Arbeit einen Sinn hat und Gutes bewirkt.
Nebenbei bist du vor Kurzem Rettungssanitäterin geworden - was war deine Motivation?
Ja, durch die Ausbildung wollte ich sehen, wie es im Vergleich zu meiner digitalen Arbeit bei imito auf der anderen Seite des Dokumentationsgeräts bzw. Handys ist. Ausserdem ist meine Schwester seit 20 Jahren Krankenschwester und hat immer total spannende Sachen von ihrer Arbeit erzählt.
Bei meinem Krankenhaus- und Rettungsdienstpraktikum fand ich es richtig toll, von erfahrenen Menschen zu lernen, wie man brenzlige Situationen schnell einschätzt und trotzdem ruhig handelt. Das waren zwei intensive Wochen im Krankenhaus und 14 12-Stunden-Schichten beim Rettungsdienst.
Aber du warst auch mal Journalistin, richtig?
Ja, 2006 bei der Zeitung Moskau Times. Das war damals die grösste Expat-Zeitung in Russland mit rund 30.000 Exemplaren, die täglich gedruckt wurden. Mir hat es Spass gemacht, in der Nachrichtenabteilung zu arbeiten, weil ich zu verschiedenen Events und Pressekonferenzen reisen und darüber schreiben durfte - das war spannend.
Jetzt schreibst du „nur noch“ Jira-Tickets (IT-Aufgaben)?
Ja, aber ich mochte schon immer das analytische Schreiben, nicht so sehr das kreative. Informationen zu analysieren, zusammenzustellen und so zu gestalten, dass sie verständlich sind, das liebe ich total - und das nimmt mir keine KI weg.
Aber ich muss auch sagen, Journalismus und IT-Softwareentwicklung haben Ähnlichkeiten. Für mich, kleinen Adrenalin-Junkie, gibt es bei beiden brennende Deadlines und spannende Situationen, in denen wichtige Entscheidungen zu treffen sind.
Die Liebe zum Analysieren - du hast mal einen Usabilitytest bei imito durchgeführt, um Nutzerverhalten zu analysieren?
Ja, für unsere automatische Wundranderkennung habe ich einen Usabilitytest gemacht. Neben den Experten bei unseren Kunden hat auch meine besagte Schwester, die Krankenschwester ist, daran teilgenommen. Das war wirklich interessant zu sehen, wie Leute mit der Funktion umgehen und was sie erwarten. Nun ist die Funktion live!
Neben der automatischen Wundranderkennung gab es ein Softwareupdate, auf das du besonders stolz bist?
Ich meine, jeder Release ist spannend, aber was ich toll fand, war unser Bodymap-Update in 2024. Ein Kunde kam auf uns zu und legte uns ans Herz, dass sie dieses Update unbedingt benötigen. Nun ist es nicht nur möglich, mehrere Körperteile auszuwählen, sondern die neue Bodymap erlaubt auch eine viel feinteiligere Selektion, also zum Beispiel ein einzelner Zehnagel. Die App übersetzt die visuelle Auswahl dann in die korrekten medizinischen Begriffe für die Dokumentation.
Mit wem arbeitest du nun im imito-Team am meisten zusammen und was schätzt du an der Person?
Mit den Entwicklern, mit Stanislav, unserem UX-Designer, Donika, unserer QA-Engineer, und Michaela, unserer Release-Managerin. Aber wahrscheinlich die Person, mit der ich am meisten rede, ist doch unser CTO Manuel. Ich schätze es, mit ihm zusammenzuarbeiten, weil ich wirklich finde, dass er gesunden Menschenverstand hat - wie er Probleme einschätzt und Lösungen angeht. Er lässt mich wissen, was er braucht, und gibt mir dann die Freiheit, meine Arbeit selbst zu gestalten.
Aber ich will auch erwähnen, dass Michaela, unsere Release-Managerin, meine Arbeit seit einigen Monaten sehr erleichtert. Sie ist selbst gelernte Krankenschwester und hat auch lange im Krankenhaus in der IT gearbeitet.
Sie kommuniziert unseren Usern, was wir verbessert haben, und ihre Perspektive, unsere Software final zu testen, ist sehr kostbar. So passen wir die Apps von Medizinern für Mediziner an, und sie sagt auch mal: „Nee, das würde mich total nerven bei meiner Arbeit. Das muss auf jeden Fall gefixt werden.“
Du arbeitest im imito-Team fliessend auf Englisch und Deutsch - wo hast du die Sprachen gelernt?
Das ist tatsächlich eine lustige Geschichte. Ich bin in Russland geboren, bin aber als Kind mit meiner Familie noch an die Westküste der USA ausgewandert. In meiner Schulzeit fand ich es toll, dass man in der Schule auch Tanz- statt Sportunterricht machen durfte.
Das hat mir sehr Spass gemacht - vor allem auch wegen meiner damaligen lustigen und energiegeladenen Tanzlehrerin. Diese meinte irgendwann: „Nächstes Jahr unterrichte ich Englisch.“ Weil meine Freunde und ich sie so sehr mochten, haben wir uns für Englisch angemeldet - und siehe da, auch der Englischunterricht mit ihr war super spannend.
Dann sagte sie irgendwann: „Nächstes Jahr unterrichte ich Deutsch. Denn wer im Leben erfolgreich sein möchte, sollte Deutsch lernen. Denn Deutsch ist die Sprache des Geldes.“ So haben mehrere meiner Freunde und ich uns allein ihretwegen für Deutsch entschieden und nicht für Französisch oder Spanisch. An der Uni habe ich dann weiter Deutsch gelernt, z. B. deutsche Kinderreime: „Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt eine fette Wanze“ - das habe ich damals in New York gelernt. Mittlerweile wohne ich seit fast 19 Jahren in Berlin.
Du hast mal das New-York-City-Leben gelebt?
Ja, ich bin damals von meinen Eltern ausgezogen und habe den Bachelor in Computer Science in New York gemacht. Ein paar Konzerte und Clubs habe ich in der Zeit schon mitgenommen, bin viel durch Manhattan spaziert, und den Central Park habe ich sehr geschätzt.
In New York zu leben, war mein Traum als Kind. Es gab damals diese Kaugummis, in denen immer ein kleines Bildchen drin war. Da war mal eins von New York dabei - und wow - das hat in mir ausgelöst, dass ich irgendwann mal dort leben will. Und dann habe ich es geschafft.
Nach der Uni, mit 22, wollte ich eigentlich sofort nach Deutschland gehen, aber das hat erst einmal nicht geklappt. Dann wurde ich Übersetzerin und Journalistin in Russland für fünf Jahre, bis ich es schliesslich nach Deutschland geschafft habe. Jetzt in Berlin schätze ich vor allem die Entspanntheit hier. Am Ende meiner vier Jahre in New York hat sich das Tempo nicht mehr so richtig angefühlt.
Was machst du nun in Berlin zur Entspannung?
Sport. Ja, Sport muss sein. Vier- bis fünfmal pro Woche - irgendwas, wonach ich total durchgeschwitzt nach Hause komme. Dreimal in der Woche Intervalltraining und zweimal Pilates. Schwimmen, wenn ich das andere nicht machen kann. Meine Hausärztin meinte letztens: „Sie sind ja ganz gut beweglich.“ Ja, natürlich bin ich beweglich, und ich freue mich total darüber.
Ansonsten lese ich gerne und oft. Ich bin in einem Literaturkurs mit einer tollen Lehrerin. Wir treffen uns, sie erzählt mir von einem Buch, dem Autor und dem historischen Kontext dieser Zeit. Dann überlegen wir, mit welchen anderen Büchern oder Autoren wir das vergleichen könnten und was man daraus lernen kann.
Dann gibt es aber noch die Freiwilligenarbeit in deinem Leben, richtig?
Ja, genau. Bei unserem Projekt schicken wir alles Mögliche in die Ukraine. Vieles Medizinisches - Krankenhausbetten sind sehr geschätzt, Verbandsmaterialien, Rollstühle, Gehstöcke, Hygieneartikel, aber auch Laptops, Smartphones, Fahrräder und andere Dinge. Zu Weihnachten verschicken wir Weihnachtsgeschenke, um den Leuten eine kleine Freude zu machen. Wir bekommen diese Sachen von verschiedensten Spendenaktionen und Partnern und sortieren, verpacken und schicken sie weiter.
Zuletzt - wen bewunderst du?
Ich würde sagen: Menschen, die Leidenschaft haben. Bei dem Freiwilligenprojekt gibt es eine Frau, die selbst ukrainische Kriegsgeflüchtete ist. Sie ist 57 - aber so lebendig. Sie ist immer unterwegs, macht etwas, hat immer so eine super Laune. Sie begeistert irgendwie alle.
Dann sagte sie letztens: „Ja, ich meine, nachdem ich so circa 15 Kilometer gelaufen bin, tut mir doch ein bisschen die Hüfte weh, aber sonst ist alles okay.“ Ich glaube, ich will in jedem Alter so wie sie sein. Einfach Energie und Lust aufs Leben haben und nicht eingerostet in einer Denkweise sein - sondern offen, lebendig und körperlich aktiv.
Anastasiya, wir bewundern dich für deine Fähigkeit, auch in Notfällen ruhig zu bleiben und Schritt für Schritt zu orchestrieren, wer was zu tun hat.